Wusstest du, dass unser Gehirn physiologisch gar nicht für das Lesen gemacht ist?

Diese Erkenntnis aus der Hirnforschung ist für dich als Mama oder Papa essentiell wichtig um die Leseschwierigkeiten deines Kindes besser verstehen zu können.

Der Hirnforscher Prof. Dr. Ernst Pöppel beschreibt es wie folgt:

„Das Lesen von Buchstaben ist von der Evolution nicht vorgesehen. Es war eine der ungeheuerlichsten geistigen Entwicklungen des Menschen, Sprache in Schrift zu formulieren. Das Gehirn verwendet für die Tätigkeiten des Lesens und Schreibens einen Teil, der eigentlich andere Aufgaben hat, und es muss in einem mühsamen Prozess die gigantischen Abstraktionsleistungen erlernen, die dafür erforderlich sind, alles überhaupt nur Sagbare in ein System von 25 bis 30 Buchstaben zu transformieren.“ (Pöppel, 2002, S.747)

Außerdem stellt er mit seiner Forschung fest: “ Das Gehirn ist nur in den ersten 10 Lebensjahren fähig, so lesen zu lernen, dass man es ohne Anstrengung beherrscht.“ (Pöppel in Universitas, H. 673, 57. Jg. 2002, S. 747)

Die ersten Schriftzeichen wurden vor ca. 5000 Jahren entdeckt und sind eine der wichtigsten Errungenschaften der Menschheit. Im Vergleich zur Geschichte der Menschheit, die bereits mehrere Millionen Jahre zählt, exisiert die Schrift noch nicht so lange.

Seit der Erfindung des Buchdrucks durch Johannes Gutenberg im 15. Jahrhundert wird das Lesen als Kulturtechnik angesehen. Von unserer Physiologie ist unser Gehirn also gar nicht für das Lesen ausgelegt.

Was bedeutet dies nun für das Lesenlernen deines Kindes?

Mit dem Schuleintritt muss dein Kind zahlreiche Hürden beim Lesenlernen überwinden. Dabei werden unterschiedliche Stufen des Leselernprozesses unterschieden.

  1. Die erste Stufe beginnt schon weit vor der Einschulung und gilt als Basis des Leselernprozesses, denn: Die Schule ist keineswegs die Stunde Null für das Lesenlernen. Bereits im Kleinkindalter ahmen Kinder das Lesen und Schreiben nach. Sie beobachten die Erwachsenen beim Schreiben und Kritzeln erste Schriftzeichen auf Papier. Sie „lesen“ dann die Schrift, indem sie verschiedene Laute imitieren. Einzelne Schriftzeichen, wie z.B. das A von Apotheke können sie bereits identifizieren. Der eigene Name kann von vielen Kindern bereits teilweise oder auch ganz geschrieben werden.
  2. Bei Schuleintritt lernen die Kinder die Verknüpfung von Buchstaben und Lauten kennen. Erste Silben werden erlesen und daraus erste Wörter gebildet. Häufig werden noch einzelne Buchstaben erlesen und die Wörter falsch betont.
  3. Im weiteren Verauf der Grundschule wird das Lesen automatisiert, immer mehr Wörter können gelesen werden.
  4. Nach der Automatisierung erfolgt die Schärfung des Leseverständnisses. In dieser Phase geht es primär um das Erfassen von Inhalten von Texten, dem sog. sinnentnehmenden Lesen. Bei Sachtexten sollten Kinder zunehmend in der Lage sein, Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden. Bei erzählender Literatur sollten sich die Texte an den Interessen des Kindes orientieren, um die Lesemotivation des Kindes zu fördern.
  5. Anschließend folgt die Phase der Reflektion und des Vergleichens von Texten. Hier geht es um die Fähigkeit, sich über Texte unterhalten zu können, darüber zu reflektieren, sich eine eigene Meinung zu bilden und Texte in einen Kontext zu setzen.

Es steht außer Frage! Das Lesen gehört zu den kognitiv anspruchsvollsten Herausforderungen für Kinder. Auch dein Kind wird diesen Weg meistern müssen, wenn es zu einem erfolgreichen Leser bzw. Leserin werden will. Dieser Weg erfordert ein hohes Maß an Begleitung durch die Eltern, durch dich! Es ist sehr wichtig, dass es in dir stets eine(n) Ansprechpartner*in findet und du es schaffst, dein Kind zum Lesen zu animieren und zu motivieren.

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